Mit mehr Fantasie die Zukunft des ICC planen

Foto: Claus Rottenbacher

Comeback für das Internationale Congress Centrum Berlin – aber wie? Eine Podiumsdiskussion mit Werkstattcharakter suchte nach Ideen und gibt neue Impulse. Der Tagesspiegel und Berliner Woche berichteten.

Von „Arche Noah“ über „Panzerkreuzer Charlottenburg“, „Alu-Monster“ bis zu „Raumschiff“. Der Berliner Volksmund kennt viele Spitznamen für das Internationale Congress Centrum Berlin. Mit seinen 320 Metern Länge, 80 Metern Breite und 40 Metern Höhe ist der von den Berliner Architekten Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte geplante, in nur vier Jahren Bauzeit fertiggestellte und am 2. April 1979 eröffnete Gigant, längst stark sanierungsbedürftig und seit 2014 geschlossen.

Eine Ikone der modernen Architektur. Bis heute von den Berlinern wertgeschätzt, wie auch eine aktuelle Leserbefragung des Tagesspiegels zeigt. „Was soll Ihrer Meinung nach damit passieren“, fragt die Zeitung. 67 % geben an, das ICC muss gerettet werden, sehen es als ein Wahrzeichen von Berlin, das bewahrt werden muss. Darüber bestand bei der vom Architekten – und Ingenieur-Verein zu Berlin und den Berliner Wirtschaftsgesprächen veranstalteten Podiumsdiskussion ebenfalls kein Zweifel. Die 2. Vorsitzende, Dr. Melanie Semmer, lud zusammen mit Claudia Häuser-Mogge (BWG) in den Bürgersaal im Rathaus Charlottenburg ein. Gabriele Thöne, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Berliner Wirtschaftsgespräche, moderierte.

Damit aus dem Leerstand des ICC keine unendliche Geschichte wird, wurden in einem Werkstattgespräch mit den Zuhörern Ideen gesucht und diskutiert für eine zukünftige Nutzung. Obwohl der Senat mit rund 200 Millionen Euro im Haushalt ab 2018 Gelder einplant für die Sanierung, gibt es immer noch kein schlüssiges Konzept.

Mischnutzung

Das ICC wird zu modernem Kongresszentrum, heißt es in einer Pressemitteilung des Senats vom 30. Juni. Doch viele Fragen sind noch offen. Vage ist die Rede von einer Mischnutzung. 10.000 Quadratmetern sollen für eine „flexible“ Kongressnutzung ertüchtigt werden. Die übrigen Gebäudeteile sollen an private Investoren vermarktet werden, die den weitergehenden, auf mindestens 300 Millionen Euro geschätzten Investitionsbedarf aufbringen sollen. Helfen könnten dabei Fördergelder. So die Idee des Senats. Für den stellte dann auch Henner Bunde (Staatssekretär für Wirtschaft, Technologie und Forschung) klar, das ICC müsse sich zukünftig rechnen und zuschussfrei betrieben werden können.

Aber geht das? Lässt sich die für eine Mischnutzung notwendige kleinteilige Gliederung der Räume überhaupt verwirklichen? So dass sie sich mit der geplanten Kongressnutzung vertragen könne? Uwe Hameyer bezweifelte das. Das sei mit dem Haus nicht machbar, so der Architekt, der für den AIV als einer von sechs Teilnehmern an der Diskussion teilnahm. Einen Trend zu einer wachsenden Kongressnachfrage gäbe es in Berlin, erklärte Melanie Bähr (stellv. Haupt-Geschäftsführerin IHK-Berlin). Und damit auch einen möglichen Bedarf für das Kongresszentrum am Messedamm. Ähnlich die Einschätzung von Willy Weiland, Präsident DEHOGA Berlin: „Die Kongresse wollen auch nach Berlin. Die Nachfrage ist da und jeder Besucher mehr bedeute mehr Steuereinnahmen für die Stadt.“ Durchschnittlich 230 Euro gebe jeder Tagungsgast aus.

Nicht zuletzt die High-Tech-Architektur des von Rolf Schüler als eine riesige Maschine entworfenen Kongresszentrums macht bis heute seine Anziehungskraft weltweit aus. Mehrmals wurde das Raumschiff mit dem World Travel Award dem, „Oscar der  Reiseindustrie“, ausgezeichnet für seine besondere Architektur und räumliche Vielfalt. Eine ‚baukulturelle Visitenkarte‘ Berlins, wie der Rat für Stadtentwicklung es formulierte. Wie faszinierend die Innenräume auch auf Besucher noch heute wirken, davon konnte man sich an diesem Abend mit der Projektion der Raumporträts von Claus Rottenbacher aus seinem gerade erschienen Bildband eine Vorstellung machen (Foto). Für Emmanuel Höger als Vertreter der Messe aber erfüllt der City Cube mit seinen flexiblen Räumen besser die Anforderungen an den heutigen Kongressbetrieb.

Nur dass der City Cube eben die Deutschlandhalle und nicht das ICC ersetzen sollte, wie Charlottenburgs Bürgermeister Reinhard Naumann entgegnete. Er habe nie verstanden, warum über Jahrzehnte nicht etwas für den Erhalt des ICC getan wurde. „Wäre nachhaltig etwas passiert, hätten wir die Malaise heute nicht“, so Naumann.
Die Malaise aber, sie ließ sich an diesem Abend – noch – nicht abschließend beheben. Dennoch, die lautstarken Proteste aus den Reihen der Zuhörer gegen die momentanen Pläne und Haltungen zeigten auch, wie stark der Rückhalt für das ICC auch und gerade in den Reihen des AIV ist.

Uwe Hameyer rügte die mangelnde Transparenz des Senats im Verfahren seit Jahren und die Gutachten über das ICC nicht öffentlich mache, um darzulegen wie man sich eine mögliche neue Raumaufteilung vorzustellen habe. Gegen behutsame Veränderungen spräche aus seiner Sicht nichts. Das ICC aber sei ein Gesamtkunstwerk wie die Philharmonie oder die Staatsbibliothek. „Niemand käme auf die Idee, diese in Teileigentum aufzuteilen, alles auszuschlachten und die Technik einfach zu verschrotten. Berlin fehlt die Fantasie im Umgang mit dem ICC“, kritisierte Uwe Hameyer. Nicht ohne auch gleich selbst eine ganz große Lösung zu präsentieren. Statt viele solle der Senat einen großen Interessenten suchen. Technikaffine Global Player wie den deutschen Maschinenbau.

Oder IT-Konzerne wie Apple, Google oder Microsoft für den High-Tech-Giganten begeistern. Schließlich habe Schüler das ICC als eine riesige Maschine geplant. Die Diskussion fand am 3. November 2015 statt.

Jörg Brause AIV (mit Wikipedia)

Cover  ICC

Der Fotoband von  Claus Rottenbacher: Westort | Ostort. Raumporträts: Das ICC und die Fahrgemeinschaft mit einem Text von Nikolaus Bernau (2015) ist erschienen im Kehrer Verlag.