Pressemitteilung: Senat verstolpert den Dialogprozess zur Berliner Mitte

Die „Stadtdebatte Alte Mitte – Neue Liebe“ droht aus Sicht des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu Berlin zur Farce zu werden.

Berlin, den 11. Juni 2015. Vier Wochen lang hatten Berlins Bürger Zeit, in einem Online-Dialog mitzuteilen, wie sie sich die zukünftige Gestalt des Areals zwischen Humboldtforum, Marienkirche, Rotem Rathaus und Alexanderplatz vorstellen. Das Ergebnis dieses „Dialogs“ sind rund 3.100 Beiträge und Kommentare, aus denen sich schwerlich ein repräsentatives Meinungsbild von Berlins Bürgern abzeichnen wird, das als Entscheidungsgrundlage für Politik und Verwaltung dienen kann.

Daran wird sich aus Sicht des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu Berlin auch in den weiteren Phasen der Stadtdebatte nichts ändern, wenn die Fachleute mit den Bürgern in einen Dialog treten sollen. Die dafür auf den Fachkolloquien am 15. und 22. Juni 2015 eingeplanten drei Minuten Redezeit werden den Fachleuten nicht reichen, um die Versäumnisse von Politik und Verwaltung bei der Information über Geschichte und Zukunft der Berliner Mitte aufzuholen.

Geradezu unmöglich wird es den bis zu 200 Teilnehmern der Kolloquien sein, auf dieser knappen Grundlage in Kleingruppen zu diskutieren und sich innerhalb von einer Stunde auf gemeinsame Interessen zu verständigen.

Prof. Dr. Harald Bodenschatz, AIV-Vorstandsmitglied, fasst die Haltung des AIV zu Berlin zusammen: „Ärgerlich ist am Gesamtverfahren vor allem, dass ein kleiner, in historischer Hinsicht zufälliger Ausschnitt des Stadtkerns als Berliner Mitte ausgegeben wird. Statt den historischen Raum als Ganzes ins Auge zu fassen, grundlegende Informationen bereit zu stellen und Eckpunkte eines nachhaltigen Entwicklungskonzepts vorzulegen, wie es Aufgabe der Senatsverwaltung wäre, die sich auf ein kurzatmiges und kurzsichtiges Verfahren beschränkt, das der interessierten Öffentlichkeit als ‚Dialog’ präsentiert wird.“

Aus Sicht des Architekten- und Ingenieur-Vereins zu Berlin wären die Mittel für die Stadtdebatte von insgesamt 650.000 EUR besser für eine repräsentative Meinungsumfrage und fachliche Voruntersuchungen ausgeben worden. Voruntersuchungen zum Beispiel zum Verkehr, zur Herkunft des öffentlichen Grundbesitzes, zum Umgang mit dem Erbe von zwei Diktaturen und zu den hier ehemals zahlreichen, im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts hin- und hergeschobenen Denkmälern stadtweiter Bedeutung. Diese Gutachten liegen bislang nicht vor – sie sind aber unverzichtbar, als Grundlage für zukünftige Planungen, um die Spuren der Geschichte nicht einfach zu verwischen und um die Öffentlichkeit dafür zu sensibilisieren.

Den Bürgern wird vorgegaukelt, sie könnten darüber entscheiden, wie die historische Mitte von Berlin zukünftig gestaltet wird, obwohl doch am Ende Politik und Verwaltung das letzte Wort haben werden. Das hat die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher mehrfach auch selbst betont, diese Entscheidungen nicht delegieren zu können, selbst wenn sie es wollte. Das macht die Stadtdebatte aber erst recht zur Farce und wird schwerlich eine neue Liebe zur alten Mitte wecken können.

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